Die Kuhmilchallergie ist die häufigste Ursache für Nahrungsmittelallergien bei Kindern unter 3 Jahren, kann aber bei Patienten aller Altersgruppen diagnostiziert werden. Da sich die Symptome der Kuhmilchallergie mit denen anderer Magen-Darm-Erkrankungen überschneiden, ist eine angemessene Diagnostik unerlässlich, um eine Über- oder Unterdiagnostik zu vermeiden und somit die gesundheitliche Belastung der Patienten und ihrer Familien zu minimieren.1
In diesem evidenzbasierten Leitfaden wird der Weg zur präzisen Diagnose einer Kuhmilchallergie in der klinischen Praxis erläutert.
Die Symptome einer Kuhmilchallergie können vielfältig und von unterschiedlicher Intensität sein. Viele Organsysteme sind betroffen, am häufigsten jedoch die Haut sowie der Magen-Darm-Trakt und die Atemwege. Sind 2 oder mehr Organsysteme beteiligt, ist die Wahrscheinlichkeit einer Kuhmilchallergie erhöht.1
Sofortreaktionen und verzögerte Reaktionen sollten unterschieden werden. Es kann allerdings auch vorkommen, dass bei Patienten Kombinationen dieser beiden Reaktionstypen auftreten.1
Wenn eines der folgenden Anzeichen oder Symptome bei einem Säugling oder Kind auftritt und nicht durch eine andere Ursache erklärt werden kann, kann eine Kuhmilchallergie als mögliche Diagnose in Betracht gezogen werden:1
*Anaphylaxie oder schockartige Symptome sind eindeutige Anzeichen für eine Überweisung an einen Allergologen.
Wenn die Anamnese des Patienten auf eine IgE-vermittelte Allergie hinweist, können spezifische IgE-Bluttests bei der Diagnose helfen.2,3 Spezifische IgE-Bluttests können in jedem Alter durchgeführt werden. Dabei werden mithilfe validierter Tests allergenspezifische IgE-Spiegel im Serum bestimmt.2 Zunächst sollte ein spezifischer IgE-Test auf den Allergengesamtextrakt (Kuhmilch) durchgeführt werden.3
Auswertung der Ergebnisse des spezifischen IgE-Bluttests auf den Allergengesamtextrakt1
Mit Tests auf den Allergengesamtextrakt kann die Wahrscheinlichkeit einer Kuhmilchallergie eingeschätzt werden, aber nicht die Reaktivität auf gebackene Milch. Nach der spezifischen IgE-Bestimmung auf den Allergengesamtextrakt können Tests auf Kuhmilch-Allergenkomponenten helfen, die Reaktivität auf Backwaren zu bewerten und weitere Informationen über die Wahrscheinlichkeit einer Allergiepersistenz zu liefern.3
Die Bewertung spezifischer IgE-Reaktionen auf die folgenden Komponenten (Proteine) können dazu beitragen, bei Patienten mit einer Kuhmilchallergie die Diagnose zu verbessern und die Behandlungsentscheidungen zu unterstützen:3*
Da Kasein gegenüber einer Hitzedenaturierung resistenter ist als andere Bestandteile, reagieren Patienten mit hohen Kasein-spezifischen IgE-Werten wahrscheinlich auch auf gebackene Milch. Diese Patienten sollten daher den Verzehr von Milch in jeglicher Form vermeiden. Patienten, deren spezifischer IgE-Test auf Kasein negativ ausfällt, können möglicherweise sorgfältig durcherhitzte Milch, z. B. in Backwaren, vertragen.3
Wenn relevante Symptome vorhanden sind und eine Kuhmilchallergie vermutet wird, sollte eine diagnostische Eliminationsdiät eingeleitet werden. Dabei sollte Kuhmilch für einen begrenzten Zeitraum strikt von der Ernährung des Patienten (oder der Mutter bei Stillkindern) ausgeschlossen werden.1
Die Dauer der Eliminationsdiät sollte so kurz wie möglich gehalten werden, aber auch lang genug sein, um beurteilen zu können, ob die klinischen Symptome verschwinden oder sich stabilisieren. Empfehlungen für den erforderlichen Zeitraum sind z. B.:1
Tritt keine Besserung der Symptome ein, ist es unwahrscheinlich, dass eine Kuhmilchallergie vorliegt. Es können jedoch Ausnahmen vorkommen, insbesondere bei Mehrfachsensibilisierungen. Bei Säuglingen mit ausgeprägten gastrointestinalen Symptomen, die sich durch die Verwendung einer hydrolysierten oder Sojanahrung nicht bessern, kann ein Versuch mit einer Nahrung auf Aminosäurebasis sinnvoll sein, bevor eine Kuhmilchallergie ausgeschlossen wird.1
Wenn sich die Symptome während der diagnostischen Eliminationsdiät deutlich verbessern, sollte die Diagnose Kuhmilchallergie durch eine standardisierte orale Nahrungsmittelprovokation unter ärztlicher Aufsicht bestätigt werden.1
Bei einer anaphylaktischen/eindeutigen Sofortreaktion auf Kuhmilch und einem positiven spezifischen IgE-Bluttest auf den Allergenextrakt sollte Kuhmilch strikt von der Ernährung ausgeschlossen werden (siehe Schritt 5) und die orale Nahrungsmittelprovokation kann entfallen. Kuhmilch sollte mindestens ein Jahr lang aus der Ernährung eliminiert werden, bevor ein Facharzt eine orale Nahrungsmittelprovokation in Erwägung zieht.1
Kommt es zu einer Sofortreaktion auf Kuhmilch, wobei der spezifische IgE-Bluttest auf den Allergenextrakt jedoch negativ ausfällt, sollte eine orale Nahrungsmittelprovokation in einem Krankenhaus unter strenger ärztlicher Aufsicht durchgeführt werden.1
Die strikte Vermeidung von Kuhmilch ist die sicherste Strategie bei der Behandlung von Kuhmilchallergie. Die folgenden Maßnahmen sollten ergriffen werden, um Kuhmilch aus der Ernährung der Patienten auszuschließen:1
Abhängig von den Ergebnissen der Bluttests auf Allergenkomponenten können Patienten möglicherweise stark erhitzte (gebackene) Milch vertragen. Der Verzehr von kuhmilchhaltigen Backwaren kann die Entwicklung einer Toleranz gegenüber nicht erhitzter Kuhmilch beschleunigen.3
Patienten sollten nach etwa 6 - 12 Monaten erneut untersucht werden, um zu vermeiden, dass die restriktive milchfreie Eliminationsdiät nicht unnötig lange fortgesetzt wird.1,3 Die ernährungsphysiologischen Vorteile von Kuhmilch sind allgemein bekannt, und eine Einschränkung des Verzehrs von Kuhmilch, insbesondere im Kindesalter, kann zu verzögertem Wachstum führen.1 Regelmäßige Wiederholungsuntersuchungen mit Labortests und oraler Nahrungsmittelprovokation werden empfohlen.3
*Die folgenden Produkte sind als ImmunoCAP™ Bluttests verfügbar:
- ImmunoCAP Allergen f76, Allergen component nBos d 4 Alpha-lactalbumin, Milk
- ImmunoCAP Allergen f77, Allergen component nBos d 5 Beta-lactoglobulin, Milk
- ImmunoCAP Allergen e204, Allergen component nBos d 6 BSA, Cow
- ImmunoCAP Allergen f78, Allergen component nBos d 8 Casein, Milk
IgE: Immunglobulin E
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