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Eine Epidemie im Verborgenen? Die Rolle der Hausärzte zur frühen Intervention bei Polyautoimmunität

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Polyautoimmunity

Autoimmunerkrankungen sind ein wachsendes Gesundheitsproblem.1,2 Bei Polyautoimmunität – das heißt, wenn Patienten mit mehr als einer Autoimmunerkrankung vorstellig werden3 – kommt den Hausärzten besondere Bedeutung zu, wenn es um die Zeit bis zu Diagnosestellung und das Management der Lebensqualität geht.4,5 Dieser Artikel unterstreicht Ihre entscheidende Rolle bei der Identifizierung und Behandlung dieser Patienten, sowie bei der Unterstützung von Fachärzten bei der Identifizierung gleichzeitig vorhandener Autoimmunerkrankungen durch „Case-Finding“. 

Venn-Diagramm zur Überlappung zwischen Morbus Basedow und Sjögren-Syndrom

Warum sind Hausärzte so wichtig für Patienten mit Verdacht auf eine Polyautoimmunität? 

Hohe Prävalenz: Polyautoimmunität ist keine bloße klinische Kuriosität. Vielmehr handelt es sich um einen wesentlichen Aspekt der Patientenversorgung, der Beachtung verlangt.6,7 Neuere Studien zeigen, dass Polyautoimmunität häufiger auftritt als bisher beschrieben.8 Schätzungen zufolge werden rund 25 % der Patienten mit einer Autoimmunen Störung wahrscheinlich weitere Autoimmunerkrankungen entwickeln.6 Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer erhöhten Wachsamkeit in der Primärversorgung. 

Symptomüberschneidung: Die Symptome bei Patienten mit Polyautoimmunität überschneiden sich häufig, was die Diagnosestellung verzögert und das Krankheitsmanagement erschweren kann.4

Frühzeitige Intervention: Eine umgehende und genaue Diagnose mit einer geeigneten Behandlung kann die Prognose für Patienten verbessern und erhebliche Morbidität und weitere Schäden am Körper verhindern.2,9 Als erste Anlaufstelle spielen Hausärzte eine entscheidende Rolle bei der Früherkennung und der gezielten und rechtzeitigen Überweisung an einen Facharzt.5,10

Durch frühzeitige Maßnahmen können Ärzte in der Primärversorgung dazu beitragen, schwerwiegende Komplikationen zu verhindern. 

Autoimmunerkrankung

Auswirkungen einer frühzeitigen Intervention

Autoimmune Schilddrüsenerkrankungen: Morbus Basedow, Hashimoto-Thyreoiditis Reduziert die Wahrscheinlichkeit schwerer Folgeerkrankungen und verbessert so die Patientenprognose11
Zöliakie Reduziert das Risiko von Mangelernährung und Osteoporose12
Entzündliche Darmerkrankungen: Morbus Crohn, Colitis ulcerosa Reduziert die Notwendigkeit von chirurgischen Eingriffen und stationären Aufenthalten durch die Erhaltung der Darmgesundheit13,14
Systemischer Lupus erythematodes Verhindert die beschleunigte Anhäufung von Schäden, Müdigkeit und eine erhöhte Mortalität10

Die Rolle der Hausärzte bei Polyautoimmunität: Identifizierung der Patienten mit relevanten Symptomen und entsprechender Anamnese für diagnostische Tests

Ärzte in der Primärversorgung sind die erste Anlaufstelle für Patienten. Indem Hausärzte die Herausforderungen erkennen, mit denen Patienten bei der Diagnosestellung konfrontiert sind, können sie dazu beitragen, die Belastung und das Misstrauen zu lindern, das viele Patienten aufgrund von Verzögerungen erleben.

  • Autoimmune Schilddrüsenerkrankungen wie Hashimoto-Thyreoiditis und Morbus Basedow gehören weltweit zu den häufigsten Autoimmunerkrankungen. Sie äußern sich durch unterschiedlichste Symptome, zum Beispiel Müdigkeit, Gewichtsveränderungen und Stimmungsschwankungen.15 Bei etwa 13,5 % der Patienten mit Autoimmunthyreoiditis liegt eine Polyautoimmunität vor, mit hohen Häufigkeiten von Typ 1 Diabetes mellitus, autoimmuner Gastritis, rheumatoider Arthritis, Zöliakie, Vitiligo und perniziöser Anämie.7
  • Zöliakie ist eine in hohem Maß unterdiagnostizierte Autoimmunerkrankung und kann mit gastrointestinalen Problemen, Anämie und Dermatitis herpetiformis einhergehen.16 Aus Studien geht hervor, dass bei bis zu 12 % der Patienten mit der Diagnose Typ 1 Diabetes, Sjögren-Syndrom oder Autoimmunthyreoiditis und anderen Autoimmunerkrankungen, Zöliakie als Komorbidität vorliegen kann.16
  • Bindegewebserkrankungen (CTDs) wie systemischer Lupus erythematodes, Sklerodermie und Polymyositis sind systemische Autoimmunerkrankungen mit breitem Symptomspektrum, darunter Gelenkschmerzen, Hautausschläge und Organfunktionsstörungen.15 Polyautoimmunität ist bei CTD-Patienten häufig, und daher ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Personen mit einer CTD die klinischen Kriterien für mindestens eine weitere Autoimmunerkrankung erfüllen. Häufige Komorbiditäten bei Patienten mit CTD sind rheumatoide Arthritis, Autoimmunthyreoiditis, Antiphospholipid-Syndrom und autoimmune Lebererkrankungen.17
  • Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) sind chronische Autoimmunerkrankungen mit Symptomen wie Bauchschmerzen, Durchfall und Gewichtsverlust.15,18 Bei Patienten mit CED besteht ein erhöhtes Risiko, weitere Autoimmunerkrankungen wie beispielsweise Zöliakie, Autoimmunhepatitis, Typ 1 Diabetes mellitus oder Psoriasis zu entwickeln.18,19

Durch die frühzeitige Erkennung von Symptomen können Hausärzte geeignete diagnostische Hilfsmittel wie z.B. Autoantikörpertests auswählen. Damit kann der Verdacht auf eine Autoimmunerkrankung bestätigt und Fachärzte bei der Erkennung von Polyautoimmunität bei ihren Patienten unterstützt werden.5,10

 

Drei Tipps für die Kommunikation mit Patienten

Empathie

Bagatellisieren Sie die Besorgnis der Patienten nicht. Versichern Sie ihnen, dass ihre Symptome ernst genommen werden. Empathie verbessert die Patientenzufriedenheit, verringert Ängste, verbessert die Prognose und verstärkt die Patienteneinbindung.20

Weiterbildung

Erklären Sie Polyautoimmunität mit einfachen Worten. Sprechen Sie über die Möglichkeit mehrerer Autoimmunerkrankungen und die Bedeutung einer Überwachung.

Erwartungen lenken

Setzen Sie realistische Erwartungen an den Diagnoseprozess und den Behandlungsverlauf. Unterstreichen Sie die Bedeutung von Folgeterminen und einer kontinuierlichen ärztlichen Betreuung.

Beispiel für eine frühzeitige ärztliche Intervention in der Primärversorgung (fiktiver Fall): Es wird eine 24-jährige Frau mit Typ 1 Diabetes und unerklärlicher Erschöpfung, Bauchschmerzen und erheblichem Gewichtsverlust vorstellig. Ihr aufmerksamer Hausarzt, der mehr als nur eine ungenügende Blutzuckerkontrolle vermutete, ordnete einen Test auf Anti-Gewebs-Transglutaminase-Antikörper (Anti-tTG-IgA) an, der eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine versteckte Zöliakie ergab. Diese frühzeitige Erkennung durch den Hausarzt ermöglichte eine sofortige Intervention und verhinderte Komplikationen wie Mangelernährung, Osteoporose und ein erhöhtes Risiko für bestimmte Krebsarten.16,21,22

Eine glutenfreie Ernährung kann zwar eine Herausforderung darstellen, half der Patientin aber, Symptome wie Erschöpfung und Bauchschmerzen in den Griff zu bekommen. Mit ihrer neu gewonnenen Energie konnte sie wieder an Familienaktivitäten und am sozialem Leben teilhaben. Durch diese Veränderung besserten sich nicht nur ihre körperlichen Symptome, sondern auch ihr geistiges Wohlbefinden, sodass sie wieder ein aktiveres und erfüllteres Leben führen konnte.

Erfahren Sie mehr über diese Fallstudie.

Lesen Sie die vollständige Fallstudie, die die entscheidende Rolle der Hausärzte bei der Identifizierung und Behandlung von Polyautoimmunität beschreibt. Die rechtzeitigen und vorbeugenden Maßnahmen verbesserten die Prognose der Patientin..

„Case-Finding“ und Beschleunigung der Diagnose:  Eine der größten Herausforderungen bei Autoimmunerkrankungen ist die häufige Verzögerung bei der Diagnosestellung, durch die sich das Risiko weiterer Schäden aufgrund des Fortschreitens der Erkrankung erhöht.9,10,13,14,21 Für die Patienten bedeutet das Warten auf eine Diagnose oft längeres Leiden, anhaltende Symptome und in schweren Fällen eine weitere Verschlechterung ihrer Lebensqualität.10,11,13,21 Hausärzte können beim „Case-Finding“ eine entscheidende Rolle spielen, indem sie bewusst auf mögliche Fälle von Polyautoimmunität bei Patienten mit bestehenden Autoimmunerkrankungen achten.5,12,23

Als Hausarzt haben Sie folgende Möglichkeiten:

  • Nutzen Sie umfassende diagnostische Tests, wie z. B. die EliA™ Autoimmuntests.
  • Halten Sie sich in Bezug auf die neuesten klinischen Leitlinien und Diagnosekriterien auf dem Laufenden.
  • Achten Sie verstärkt auf Symptome zusätzlicher Autoimmunerkrankungen bei Patienten, bei denen bereits eine solche diagnostiziert wurde.

Wenn beispielsweise ein Patient mit einer autoimmunen Schilddrüsenerkrankung Symptome einer Zöliakie aufweist, können rechtzeitige Tests zu einer schnelleren Diagnose und einer zielführenden Überweisung an einen Spezialisten führen.12,16 Auf diese Weise können Hausärzte die Diagnosestellung erheblich beschleunigen, den Patienten schnellere Hilfe leisten und das Risiko von Langzeitkomplikationen senken.

Geben Sie Ihren Patienten Antworten und Linderung: Autoimmunerkrankungen können lebensverändernd sein, und die Patienten müssen häufig lange Zeit mit Ungewissheit und Belastungen leben.2,10,21 In einer aktuellen Studie ergaben eingehende Befragungen von Patienten mit Zöliakie, dass Verzögerungen bei der Diagnose nicht nur ihr physiologisches Wohlbefinden beeinträchtigten, sondern auch zu psychischen Belastungen und dem Verlust des Vertrauens in das Gesundheitssystem führten.21

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Polyautoimmunität ein wachsendes Problem darstellt, das sich negativ auf das Leben der Patienten auswirkt. Hausärzte haben aber auch die Möglichkeit, tiefgreifenden Einfluss auf die Patientenversorgung zu nehmen. Indem sie den Patienten mit Einfühlungsvermögen begegnen, sich über die klinischen und diagnostischen Leitlinien auf dem Laufenden halten und umfassende diagnostische Hilfsmittel nutzen, können Hausärzte dazu beitragen, Verzögerungen bei der Diagnosestellung zu verringern, Beschwerden zu lindern und qualifizierte Überweisungen sicherzustellen, um die Prognose für die Patienten zu verbessern.

Literatur
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  3. Anaya JM, et al. The diagnosis and clinical significance of polyautoimmunity. Autoimmun Rev. 2014;13(4-5):423-426.
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